Befundüberblick:

Viele Handlungs-, Denk- und Erlebensweisen sind experimentellen Beeinflussungsversuchen durch Vorbildeinsatz unterzogen worden (Bewegungsmuster, Sprachverhalten, Geschlechtsrollenverhal-ten, moralisches Urteilsverhalten, soziale Verhaltensweisen). Schließlich wurden Vorbilder erfolgreich in der pädagogischen und klinischen Intervention eingesetzt, meist zur Überwindung von Phobien, Ängsten und Unsicherheit.

In der folgenden Auswahl werden einige Leitgedanken herausgefiltert, wobei man sich davor in acht nehmen sollte ihnen monokausale Wirkungen nahezulegen. Teilweise sind Wechselwirkungen zwischen ihnen empirisch gesichert

Merkmale des Vorbilds

Bestimmte Vorbilder werden bevorzugt nachgeahmt. Status, Geschlecht, Alter, Rasse, Kompetenz spielen eine Rolle, die jedoch immer in Interaktion mit anderen Variablen treten.Lt. Bandura dienen diese Merkmale als Info über zu erwartende Handlungskonsequenzen.

 

Vorbildsituation

= Bedingungen unter denen das Vorbild agiert, inkl. Handlungskonsequenzen, die es erfährt.

  • *Thelen & Rennie (1972) - Stellvertretende Bekräftigung hat nur dann einen förderlichen Effekt auf die Nachahmung, wen der Beobachter sie als relevant für sein eigenes Handeln erkennt.
  • *Masters, Gordon & Clark (1976) - Unmittelbare Nachahmung wird stäker beeinflußt, wenn ein Dritter die Bekräftigung gibt, als wenn sich das Vorbild selbst bekräftigt. Langzeiterinnerung an das Vorbildverhalten (5-9 Wo) war hingegen am besten, wenn sich das Vorbild selbst positiv bekräftigte
  • Roberts u.a. (1977) - Ein Vorbild,das mitteilt, es fühle sich wohl, wird eher nachgeahmt als eines, das sich nicht wohlfühlt
  • In der Therapie waren besonders solche Vorbilder effektiv bei der Überwindung von Ängsten, die angesichts der angstauslösenden Reize anfangs selbst einen ängstlich-emotionalen Zustand artikulieren,
  • Enthält die Vorbilddarbietung konflikthafte Informationen ( das Vorbildverhalten a - widerspricht den vom Vorbild selbst verkündeten Verhaltensregeln, b- widerspricht dem, was andere Personen sagen oder tun), dann lösen die Vpn diesen Konflikt meist auf hedonistische Weise. Sie wählen dasjenige Verhalten, das ihnen weniger Bedürfnisverzicht abverlangt.

Beziehung zwischen Vorbild und Beobachter

  • In vielen Theorien der empirischen Vorbildforschung wurde ein Einfluß der Wärme und Zuwendung, die das Vorbild gegenüber dem beobachtendem Kind zeigt, vermutet. Die Befundlage ist jedoch uneinheitlich. Der Einfluß von Wärme scheint auch entwicklungsabhängig mit dem Alter zu sinken.

Teilweise wird vermutet, daß sich warme Zuwendung nur auf die Nachahmung aufgabenirrelevanten Verhaltens auswirkt. Eine motivationspsychologische Alternativerkläung scheint plausibler: Bei Verhaltensweisen, die Bedürfnisverzicht verlangen, mindert warme Zuwendung die Übernahme von Verhaltensstandards (Nachahmung).Offenbar sinken bei Zuwendung die Sanktionsbefürchtungen der Kinder. Bei neutralen Verhaltensweisen hingegen wirkt Wärme nachahmungsfördernd.

  • Es scheint weniger auf die Kompetenz als vielmehr auf einen Kompetenzvergleich zw. Vorbild u. Beobachter anzukommen. In Leistungssituationen u.a. zeigt sich, daß die Standars tüchtiger Vorbilder bereitwilliger übernommen werden. *Halisch u.a. zeigten, daß es bei Kompetenzungleich-heiten zw. Beobachter und Vorbild zu einer Ablehnung des Vorbilds und zur Kontraimitation kommen kann.
  • Thelen u.a. - zeigten, daß Nachahmung gefördert wird, wenn das spätere Vorbild zunächst den Beobachter imitiert. Nach Spada: "Die plausibelste Erklärung ist, daß Nachahmung die Attraktivität des Nachahmenden für den Nachgeahmten und somit auch dessen Nachahmungsbereitschaft erhöht".
  • Bates (1975) - zeigte, daß Erwachsene Kinder, die sie nachahmen, besonders positiv beurteilen und sich ihnen zuwenden. Nachahmung kann also auch als Mittel zu sozialer Einflußnahme eingesetzt werden.

Merkmale des Beobachters

  • Defizite beim Beobachter bzgl. Aufmerksamkeits-, Speicherungs-, Ausführungsfähigkeit beeinträchtigen die Nachahmungsleistung
  • bislang gibt es nur unzureichende Befunde zu überdauernden Persönlichkeitsmerkmalen oder situativen Variablen, die die Motivation zur Nachahmung beeinflussen sollen

Beobachtungssituation

  • Modus der Vorbilddarbietung - symbolisch (filmisch, sprachlich) dargebotenes Vorbildverhalten steht der Wirkung realer Vorbilder kaum nach, weshalb in Experimenten und Therapien auch häufig darauf zurückgegriffen wird.
  • Lenkung der Aufmerksamkeit oder Verbalisierung des Vorbildverhaltens spielen eine Rolle bei Beobachtung und Speicherung

Performanzsituation

= Anreizbedingungen, die den Beobachter direkt oder indirekt dazu auffordern, das gelernte Verhalten auszuführen, oder die Anlaß zur Vermutung geben, daß die Ausführung positive Handlungsfolgen herbeiführt oder negative verhindert.

  • Befunde zeigen, daß sowohl direkte Bekräftigung als auch die Anwesenheit des Vorbilds in der Performanzphase die Nachahmung wahrscheinlicher macht.
  • *Thelen u.a. - zeigten, daß gerade ambiguige Situationen, in denen der Beobachter nicht über fertige, abrufbare Verhaltensmuster verfügt, seine Bereitschaft zur Nachahmung erhöhen, während diese mit zunehmender Aufgabenvertrautheit sinkt.