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Zusammenfassung Kapitel 5 von Soziale Interaktion und Kommunikation des Autors Joseph  P.  Forgas

Folgerungen über Menschen

(Seite 72)

Die Schlüsse oder Inferenzen die den Attributionstheoretiker interessieren, suchen eine Antwort auf die Frage : "Warum verhält sich ein Mensch auf eine ganz bestimmte Art und Weise ?"

Unter der Bezeichnung Attributionstheorie handelt es sich nicht um eine in sich geschlossene eindeutig formulierte These, sondern vielmehr um eine Vielzahl von Ideen, Regeln und Hypo­thesen, die alle eine Erklärung versuchen, wie wir zu Schlüssen über die Ursachen eigenen und fremden Verhaltens gelangen.

Wenn wir zu entscheiden haben, warum sich Menschen auf eine bestimmte Art und Weise ver­halten haben wir zwei Grundfragen zu beantworten :

  • Was hat ursächlich zu der Handlung geführt ? - Die kausalen Antezedenzien einer Handlung
  • Was bezweckt der Handelnde mit seinem Verhalten ? - Die Intentionalität der Handlung

 

 

Heiders Logik von Attribution

(Seite 72-74)

Um an sozialer Interaktion erfolgreich teilnehmen zu können, müssen wir unsere soziale Um­welt auf effektive Weise verstehen, vorhersagen und kontrollieren können. Zu diesem Zweck, argumentiert Fritz Heider (1958), gehen wir davon aus, daß Verhalten verursacht wird und su­chen die Verursachungsquelle entweder in der Person oder der Umwelt.

Wollen wir also das Verhalten anderer vorhersagen, bemühen wir uns zunächst um eine Unter­scheidung zwischen inneren individuellen und äußeren umgebungsbedingten Einflüssen.

Auf innere Ursachen wird man nur dann schließen können, wenn sich keinerlei äußerer Druck als Handlungserklärung anbietet. Im Umkehrschluß, läßt eine Handlung gegen äußere Wider­stände eine innere Ursache vermuten.

Die Inferenztheorie von Jones und Davis

(Seite 75)

Wie erkennen wir, bei einer Entscheidung für eine innere Verursachung, die genaue Motivation einer Handlung ? Nach Jones und Davis müssen wir uns rückwärts orientieren und uns fragen, welcher der Effekte der Handlung der intendierte war.

Handlungen, die sozial unerwüscht, wenige Effekte zeigen die sich wiederum direkt auf die Handlung zurückführen lassen sich am einfachsten einer Disposition attributieren. Am si­chersten kann ein Beobachter auf Intentionalität schließen, wenn sich ein Verhalten über äuße­ren Druck und gelegentlich auch über eigene Interessen hinwegsetzt.

Eine Untersuchung von Jones, Davis und Gergen (1961) illustriert dieses Prinzip.

Die Probanten beobachten ein Bewerbungsgespräch in der entweder eine introvertierte oder extrover­tierte Persönlichkeit für die Stelle gefordert wurde.

Stand das Verhalten der Bewerber im Einklang mit den Stellenanforderungen, erhielten die Bewerber Beurteilungen ihrer Intro-/Extrovertiertheit die sich im neutralen Bereich der Beurteilungsskala be­fanden. Stand das Verhalten dagegen im Widerspruch zu der Stellenanforderung, schlossen die Be­obachter auf genuine persönliche Eigenschaften.


 

Das multidimensionale Attributionsmodell von Kelley

(Seite 76-77)

Harold Kelly entwickelte eine verfeinerte Theorie, die drei Mengen von Variablen gleichzeitig berücksichtigt und deswegen auch als "Würfel- Theorie" bezeichnet wird. Gemeint sind die fol­genden drei Dimensionen :

  1. Die Situation oder der Kontext in dem ein Verhalten gezeigt wird.
  2. Das Ziel oder Objekt der Handlung.
  3. der Akteur, der die Handlung ausführt.

Jede Handlung läßt sich einer der drei Dimensionen Situation, Ziel oder Akteur attributieren.

Der zentrale Grundgedanke in Kelleys System ist der der Kovariation : Wir attributieren Kausali­tät wenn Ursachen und Wirkungen gleichzeitig auftreten und auch gleichzeitig wieder ver­schwinden.

  • 1a Als erstes möchte der Beobachter wissen ob das Verhalten über eine gewisse Zeit  und über verschiedene Situationen konsistent ist. Bei geringer Konsistenz wird der Beobachter das Ver­halten dem Zufall zuschreiben und auf äußere oder innere Attribution verzichten.
  • 2a Als zweites muß der Beobachter in Erfahrung bringen, ob die Handlung distinktiv ist. Ge­schieht ein beobachtetes Verhalten einzig in Reaktion auf diese besondere Person, diesen be­sonderen Reiz, bzw. diese besondere Situation führt dies zu einer äußeren situationsgebunde­nen Attribution.
  • 3a Drittens möchte der Beobachter wissen, wie andere auf denselben Reiz reagieren, also wie hoch der Konsens im beobachteten Verhalten ist. Ein hoher Konsens (alle anderen reagieren genauso) wird eine Attribution zum Reiz nach sich ziehen.

Die Attributionstheorie richtet sich danach, wie diese drei Modalitäten miteinander kombiniert sind.

McArthur (1972) hat die Modalitäten variiert uns seine Probanten um Attributionen zu einem fiktiven Ereignis gebeten:

Warum hat Maria über den Komiker gelacht ?

 

Information für die Beobachter

Konsistenz

Distinktheit

Konsens

typische Attribution

hoch :

Sie lacht immer über ihn

hoch :

Sie hat über niemanden sonst gelacht

hoch :

Alle anderen haben auch über ihn gelacht

zum Reiz

dem Komiker

hoch :

Sie lacht immer über ihn

gering:

Sie lacht über jeden Komiker

gering:

Sonst hat fast niemand gelacht

zur Person

zu Mary

gering :

Sie lacht sonst nie über ihn

hoch :

Sie hat über niemanden sonst gelacht

gering:

Sonst hat fast niemand gelacht

zur Situation

den Umständen

Einige Grundannahmen von Attributionsmodellen

(Seite 77-78)

Allen bisher betrachteten Attributionsmodellen sind bestimmte Annahmen gemeinsam.

Immer wird implizit vorausgesetzt, daß (a) Attribution ein rationaler, logischer und somit vorher­sagbarer Prozeß ist, in dessen Verlauf (b) der Wahrnehmende zur Erklärung einer Handlung zunächst deren Hauptursachen identifizieren muß. Oft leiden unsere Attributionen jedoch unter irrationalen, motivationsbedingten Verzerrungen oder unter unserer Unfähigkeit, mit der zur Verfügung stehenden Information effektiv umzugehen.


 

Forschung zur Attribution

(Seite 78-79)

Die Frage nach der Attribution von Einstellungen wird vom äußeren Druck bzw. der sozialen Erwünschtheit entscheidend bestimmt. Je weniger sozial erwünscht bzw. je geringer der äußere Druck ist, umso eher attributieren wir dem Akteur eine wirkliche Einstellung.

Interessanterweise fühlen sich Menschen sogar dann zu Attributionen über die wirklichen Einstel­lungen des Akteurs in der Lage, wenn dieser auf die Wahl des vertretenen Standpunktes gar keinen Einfluß hat.

In einer Studie von Jones und Harris (1967) wurde diese Effekte der freien oder nicht freien Wahl untersucht.

Den Versuchspersonen wurden Referate zum Cuba-Thema vorgelegt. Dabei waren ein Teil der Refe­rate unter einer freien Wahl-Bedingung geschrieben beim anderen Teil war die Einstellung zum Thema vorgegeben. Die Versuchspersonen wurden dann um eine Einschätzung der wirklichen Ein­stellung der Autoren gebeten wobei ihnen die Bedingung freie Wahl / unfreie Wahl bekannt war.

Effekte in tabellarischer Form. Je höher der Wert, umso ausgeprägter die attributierte pro-Castro Ein­stellung :

 

Zum Ausdruck gebrachte Einstellung

freie Wahl

keine freie Wahl

sozial erwünschte Einstellung  (anti-Castro)

17.38

22.87

sozial unerwünschte Einstellung  (pro-Castro)

59.62

44.10

nach Jones und Harris (1967)

Auch der Status eines Menschen kann sich auf Attributionen auswirken, da wir von Menschen mit hohem Status entsprechende Macht und Handlungsfreiheit erwarten.

In einer Untersuchung von Thibaut und Riecken (1955) hatten Probanten einen Gesprächspartner mit hohem und einen mit niedrigen Status zu überreden, in eine Blutspende einzuwilligen. Dabei wa­ren beide "Blutspender" instruiert, nach einiger Zeit einzuwilligen.

In den Augen der Probanten waren beim Partner mit dem höheren Status der eigene Wille ausschlaggebend. Es wurde also innere Freiwilligkeit attributiert.

Dagegen hatte der rangniedrige Partner, nach Meinung der Probanten, gezwungenermaßen zuge­stimmt. Es wurde also äußerer Zwang attributiert.

Ähnlichen Prinzipien folgen wir auch dann, wenn wir die Handlungsfreiheit der zu beurteilenden Person selber einschränken.

Strickland (1958) ließ seine Probanten als "Aufseher" fungieren. Dabei wurden die "Arbeiter" bei einer langweiligen Aufgabe häufig (10 mal) bzw. selten (2 mal) kontrolliert.

Obwohl beide "Arbeiter" das selbe leisteten, trauten die Vps den häufig kontrollierten weniger als den selten kontrollierten.

Erfolgs- und Mißerfolgs-Attribution

(Seite 79-80)

Bei Erfolgsatttributionen, so Weiner (1974), habe man nicht nur zu entscheiden, ob eine Hand­lung innere oder äußere Ursachen hat, sondern muß zudem noch entscheiden, ob die Ursache über die Zeit stabil ist oder nicht.

Weiner kombinierte beide Dimensionen (innen-außen, stabil-instabil) und teilte Attributionen für Erfolg und Mißerfolg in vier Kategorien.

 

über die Zeit ...

Innere Ursachen

Äußere Ursachen

.. stabil

z.B. Fähigkeiten

z.B. gesellschaftliche Situation

.. instabil

z.B. Anstrengung

z.B. Glück

Erklärungen für Reichtum Armut

(Seite 80-81)

In einer Untersuchung von Forgas, Morris und Furnham (1982) wurde Reichtum am häufigsten mit den vier Variablen extern/sozial, intern/individuell, familiärer Hintergrund und Glück/Risikobereitschaft erklärt.

Überdies waren die Alltagsattributionen für Leistung in ganz erheblichem Maße abhängig von Geschlecht, Einkommen und der politischer Neigung der Beurteiler und dem ethnischen Hinter­grund sowie der sozialen Herkunft der Zielperson.

Häufig folgen unsere Attributionen für allgemeine Phänomene den Erklärungen bestimmter sozialer und politischer Gruppen wie Parteien, Religionsgemeinschaften oder Institutionen.

Attribution von Verantwortlichkeit

(Seite 81-82)

Piaget stellte fest, daß sich Kinder unter sieben Jahren bei Verantwortungsattribution zumeist an den objektiven Folgen einer Handlung orientieren. Ab dem Alter von neun Jahren bezie­hen die Kinder subjektive Intentionen in ihre Urteile mit ein.

Wenn wir davon sprechen, jemand sei verantwortlich.

  • Bedeutet das einfach, daß er der Urheber der Handlung ist ?
  • Spielt es eine Rolle , wie schwerwiegend die Folgen sind ?
  • Muß diese Handlung intentional sein ?
  • Geht es um Verantwortung im moralischen oder gesetzlichen Sinn ?

Die Attributionsforschung zeigt, daß Verantwortlichkeitszuweisungen im Alltag häufig von of­fensichtlich irrationalen Erwägungen beeinflußt werden.

Walster (1966) stellte fest, daß jemand für einen unvorhersehbaren Unfall ( die Handbremse seines Autos hatte sich gelöst und der Wagen war einen Hügel runtergerollt) bei ernsthaften Folgen mehr verantwortlich gemacht wurde als bei einem glimpflichen Ausgang des Unfalls.

Shawer (1970) zeigte, daß wir uns ähnliche Menschen für ein und denselben negativen Vorgang weniger verantwortlich machen las uns unähnliche Menschen.


 

Verzerrungen zugunsten von Kausalität

(Seite 83)

Wir tendieren dazu , die Welt - selbst dann, wenn wir nur über sehr bruchstückhafte Information verfügen- in Form kohärenter und bedeutungsvoller Muster wahrzunehmen.

Diese Tendenz zur Kausalität, kann unsere Wahrnehmung erheblich verzerren und uns Ursa­chen und Intentionen erkennen lassen, wo zwischen einer Aktion und ihren Folgen nur ein zu­fälliger Zusammenhang besteht.

Verzerrungen zugunsten innerer Attribution

(Seite 83-84)

Attributionsurteile offenbaren eine starke Tendenz, innere Verursachung selbst dann anzuneh­men, wenn Umweltfaktoren offensichtlich dominieren.

In der Studie von Jones und Harris (1967) (S. 28) wurden diese Effekte der Unterstellung von innerer Attribution nicht freier Themenwahl besonders deutlich.

Akteur-Beobachter-Verzerrung

(Seite 84-85)

Wir neigen nicht nur dazu, den Handlungen eines Menschen, den wir beobachten, innere Ursa­chen zu attributieren (Tendenz zur Dispositionsattribution), sondern komplementär dazu, unser eigenes Verhalten mit äußeren, situationalen Faktoren zu erklären. (Jones und Nisbett 1971).

Wir tendieren also zu der Annahme, daß wir handeln weil die äußeren Umstände es erzwingen, während andere so handeln wie sie es wollen.

Auffälligkeits- Effekte

(Seite 86-87)

Inwieweit spielt die Perspektive bei Attributionsprozessen eine Rolle. Wie es scheint folgen un­sere Attributionen unserem Aufmerksamkeitsfokus.

Taylor und Fiske haben diese Theorie in einem interessanten Experiment untersucht.

Attribution

Beobachter attributieren derjenigen Person, die sie am besten sehen konnte, (der sie also gegenübersaß), größere kausale Kontrolle über eine Interaktion.

Verzerrung kontra Konsens-Information

(Seite 87)

Nach Kahnemann und Tversky (1973) sind wir von den konkreten Verhaltensdetails unseres Gegenübers zumeist so gefesselt, daß wir statistische Häufigkeiten darüber nicht berücksichti­gen.

Selbstwertdienliche Verzerrungen

(Seite 88)

Die bisherigen Verzerrungen gingen fast alle auf das Konto fehlerhafter Wahrnehmung oder Wahrnehmung. Neben diesen kognitiven Unzulänglichkeiten kann aber auch die Motivation zur Quelle von Attributionsverzerrungen werden.

Wir neigen dazu, uns selbst für unsere Erfolge verantwortlich zu machen, während wir äußere Umstände als Grund für die Erfolge anderer vermuten. Dagegen führen wir unsere Mißerfolge auf die Situation zurück und Mißerfolge anderer auf innere Ursachen.

Weiterhin haben selbstwertdienliche Verzerrungen auch einen Einfluß auf unsere Beziehungen. Wir mögen und wertschätzen Menschen mit gleichen Ansichten und gleichem Ansehen mehr als andere.

Verzerrung durch falschen Konsens

(Seite 88-89)

Eine weitere selbstwertdienliche Verzerrung ist der Effekt des falschen Konsens. Wir neigen zu der Annahme, daß unsere Einstellungen, Werte oder Verhaltensweisen im großen und ganzen von anderen geteilt werden.

Studentische Probanten wurden gefragt ob Sie bereit seien mit einem Schild "Eßt bei Joe !" über den Campus zu gehen. Weiterhin sollten Sie angeben welcher Anteil der Studenten ihrer Meinung nach dieselbe Entscheidung treffen würde.

Diejenigen die einwilligten glaubten, daß 62 % der Kommilitonen ebenfalls einwilligen würden. Bei denjenigen die den Reklamemarsch ablehnten, glaubten 67 % der Probanten würden ihre Entschei­dung teilen.

Die Hypothese der "gerechten Welt"

(Seite 89)

Lerner (1965) vermutet, daß selbstwertdienliche Verzerrungen zumindestens zum Teil den Wunsch widerspiegeln, uns den Glauben an eine gerechte Welt zu erhalten, in der jeder be­kommt was er verdient.

In Untersuchungen von Lerner zeigten Beurteiler die Tendenz, sogar völlig unschuldige Opfer die nach dem Zufallsprinzip Elektroschocks erhielten, für ihre Leiden selbst verantwortlich zu machen.

Die Opfer für schuldig zu erklären ist unser Versuch den Glauben an die Kontrollierbarkeit von Ereignissen zu erhalten.

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

(Seite 89-90)

  • Heiders Beobachter ist ein Philosoph der sich einzig auf die Regeln der Logik verläßt.
  • Jones und Davis sehen den idealen Beobachter als höchst disziplinierter Datenverarbeiter.
  • Kellys idealer Beobachter ist ein Sozialwissenschaftler.

Das ursprünglich logische Attributionsmodell von Heider hat vielfache Modifikationen erfahren. Die meisten Modelle haben an dem Gedanken festgehalten, daß Menschen nach Ursachen su­chen, wenn sie das Verhalten anderer verstehen wollen, und daß sie dabei rationalen, wissen­schaftlichen Prinzipien folgen.

  • Unsere Attributionen werden jedoch nicht nur von unseren begrenzten Wahrnehmungs- und Kognitionfähigkeiten bestimmt, sondern auch von allgegenwärtigen normativen und kulturellen Faktoren.
  • Für das Zustandekommen von Attributionsverzerrung sind zumeist kognitive und motivatio­nale Faktoren verantwortlich.
  • Qualitativ verschieden sind selbstwertdienliche Verzerrungen, die uns helfen, ein positives und konsistentes Selbstbild aufrechtzuerhalten.