Beitragsseiten

Lernpsychologische Linie (S. 42-47)

EDAWARD LEE THORNDIKE (1874-1949) gilt als Begründer der experimentellen Lernpsychologie.

Er arbeite mit Katzen. Er steckte hungrige Katzen in eine Lattenbox (sog. puzzle-bos) und stellte außen Futter auf. Durch Bewegung von bestimmten Hebeln , wozu es bei den nach Futter suchenden Tieren nach einiger Zeit zwangslääufig kommt, öffnet sich das Gatter und die Katze erreicht das Futter. Schon bei der nächsten Wiederholung läßt das Tier, aufgrund der instrumentellen Zielgerichtetheit der Handlung, einen Lerneffekt erkennen.

Die Analogie zu DARWINs Evolutionsgedanken liegt auf der Hand. Auslese durch Versuch und Irrtum. Im "Kampf ums Dasein" überleben nur diejenigen, die sich einer Situation erfolgreich anpassen. THORNDIKE (1898) erklärt dies mit dem Gesetz der Wirkung. Befriedigung - die des Hungers - wurde als Ursache für eine neue Reiz-Reaktions-Verknüpfung für Lernen angesehen und später als Bekräftigung bezeichnet. Mit dem Lernexperiment war gleichzeitig auch ein Motivationsexperiment arrangiert worden. (Das Tier mußte ja vorher "hungrig gemacht" werden) Bestimmte Ereignisse sind nur dann befriedigend, wie das Lebewesen dafür einen Zustand der Bereitschaft besitzt.

Für die Reiz-Reaktions-Verknüpfung führte Thorndike den Begriff habit ein. Habit ist eine Ausführungsgewohnheit die nicht bewußt kontrolliert werden. Es war damals üblich, gerichtetes Verhalten auf Instinkt zurückzuführen. Nach der Instinktkontroverse setzte sich, auf Vorschlag von R.S. WOODWORTH (1869-1962), die Bezeichnung Trieb durch. WOODWORTH tat dann auch den ersten Schritt , zwischen S und R ein hypothetisches Konstrukt einzufügen , nämlich O für Organismus.

Es war jedoch erst EDWARD C. TOLMAN (1886-1959) der in begrifflicher Strenge den hypothetischen Konstruktcharakter der von ihm so genannten intervenierenden Variablen einführte. TOLMAN unterschied erstmals klar zwischen Motivation und Lernen. Lernen war für ihn eine Art Wissenserwerb. Damit Gelerntes aber zur Ausführung kommt, bedarf es der Motivation.

CLARK C. HULL griff TOLMANs Konzeption der intervenierenden Variablen auf.  HULL hat ein umfangreiches deduktives Theriensystem ausformalisiert. In motivationspsychologischer Hinsicht ist er der eigentliche Begründer der Triebtheorie. Aus der Befriedigung eines Bedürfnisses, die S-R-Verknüpfungen fördert, wurde eine Triebreduktion. Auch wurde nun zwischen Trieb und Bedürfnis unterschieden.

Bedürfnis ist ein spezifischer Mangel- oder Störungszustand im Organismus (wie Hunger, Durst oder Schmerz) der einen unspezifischen Trieb von bestimmter Stärke und mit verhaltensaktivierender Funktion hervorruft. Hulls letzte Fassung seines Theorienssystems (1952) postuliert eine multiplikative Verknüpfung von Trieb (D) und Anreiz (K). Zum anderen Teil wird das Verhalten durch eine assoziative Komponente bestimmt, welche darüber entscheidet, welche der vorliegenden S-R-Verknüpfungen (habits,SHR) bei den vorliegenden Stimuli ausgeführt werden. Die Stärke der Gewohnheit SHR ist abhängig von Anzahl und Verzögerung der vorhergehenden Bekräftigungen. Das Produkt bestimmt die Verhaltenstendenz das sogenannte reaction-evocation-potential - SER.

HULLs Konzeption von 1943:

  • SER=f ( SHR x D x K )

Einer der Schüler und Mitarbeiter HULLs war KENNETH W. SPENCE (1907-1967) der Hulls Lern- und Motivationstheorie in wichtigen Punkten fortentwickelte. Für SPENCE ist der Anreiz ebenso erlernt wie eine Gewohnheit. Entgegen der Konzeption von HULL, der Trieb und Anreiiz multiplikativ verknüpfte, geht SPENCE von einer additiven Verknüpfung aus. Entsprechend formuliert er seine Konzeption des effektiven Reaktionspotentials (E).

SPENCEs Konzeption:

  • E=f (( D + K ) x H )

Damit kann auch ein effektiven Reaktionspotentials (E) vorliegen, d.h. etwas gelernt werden, wenn keine Triebstimulation, sondern nur eine Anreizstimulation vorliegt; wenn also das Lebewesen nicht "getrieben", sondern "angezogen" wird. In einem solchen Fall hätten wir es mit einer reinen Anreizmotivation zu tun.

Drei weitere Schüler und Mitarbeiter HULLs waren NEAL E MILLER, JUDSON S. BROWN und O. HOBART MOWRER. MILLER hat ein einflußreiches Modell dse Konflikts entworfen und experimentell untermauert (1944). Weiterhin hat er am Beispiel der Furcht nachgewiesen, daß es erworbene Trieb gibt (1948,1951) und hat die Triebtheorie Hulls erweitertnreizmotivation zu tun.

Triebe können auch wie Reaktionen an bestimmte ursprünglich neutrale Stimuli assoziert werden.

In einem berühmt gewordenen Experiment (1948,1951) waren Ratten in einem weiß gestrichenen Abteil solange schmerzhaften Elektroschocks ausgesetzt, bis sie gelernt hatten einen Durchgang zu einem benachbarten schwarzen Abteil zu öffnen. Nach einiger Zeit zeigten sie schon Furcht wenn sie nur in das weiße Abteil gesetzt wurden auch ohne daß Elektroschocks gegeben wurden. Ursprünglich neutrale Reize waren nun furchterregend, ein Fall klssischen Konditionierens. Furch war erlernt. Sie war außerdem ein Triebzustand. Denn die Tiere lernten nun auch ohne elektrische Schocks neue Fluchtreaktionen, um ins schwarze Abteil zu gelangen.Aus ursprünglich organismisch verankerten Trieben konnten höhere Motive, also erlernte oder sekundäre Motive, abgeleitet werden (vor allem aus der mit Schmerzzuständen verbundenen Furcht).

Ein anderes klassisches Experiment mit Ratten wurde zur Grundlage zu MILLERs (1944) berühmten Konfliktmodell. Bei entsprechend angeregten Triebzuständen wird die Tendenz ein positives Zielobjekt aufzusuchen, oder ein negatives zu meiden umso größer je näher das Ziel ist. Dabei ist die Steigung der Meidungstendenz jedoch stärker (steiler) als der Anstieg der Aufsuchungstendenz.

Im Experiment wurden in eine Zielregion dem Versuchstier gleichzeitig positive (durch Fütterung) als auch negative (z.B. durch Schmerzen) Stimuli assoziert. Bei entsprechender Dosierung des Furcht- und Hungertriebes gibt es für das Tier eine bestimmte Entfernung von der Zielregion wo sich die Gradienten der Meidungs und Aufsuchungstendenz schneiden. Hier kommt es zum Konflikt. Jede weitere Annäherung, läßt die Furcht dominat werden, jedes weitere Zurückweichen den Hunger. Das Tier pendelt hin und her.Entfebenachbarten schwarzen Abteil zu öffnen. Nach einiger Zeit zeigten sie schon Furcht wenn sie nur in das weiße Abteil gesetzt wurden auch ohne daß Elektroschocks gegeben wurden.

Dieses Konfliktmodell hat sich auch für die human-psychologische Konfliktforschung , etwa im Rahmen der Psychotherapie als fruchtbar erwiesen. O. HOBART MOWRER hat sich vor allem mit der Rolle der Furcht bei der Motivierung des Meidungslernens befaßt. Sein bedeutenster motivationstheoretischer Beitrag ist die Einführung von Erwartungsemotionen der Hoffnung und der Furcht, die als Zwischenvariable zwischen Situationsgegebenheiten und Reaktionen vermitteln.

MOWRER hat zunächst die Rolle der Furcht bzw. der Ängstlichkeit geklärt. Er anhm dabei den Gadanken Freuds auf, daß Angst das Signsl für bevorstehende Gefahr ist, somit einen Unlustzustand darstellt und Verhaltensweisen (zur Schmerzvermeidung) aktiviert, um der Gefahr auszuweichen.

Angst hat daraufhin eine Motivationsfunktion. Alle Verhaltensweisen, die die Furcht vermindern werden verstärkt. Als motivationale Prozesse hat er schließlich zwei verschiedene Grundarten der Bekräftigung jeder Verhaltenserklärung zugrundegelegt :

  • Triebinduktion
    Wenn Verhalten bestrafende Folgen hat, kommt es zu einer konditionierten Verknüpfung mit der Erwartungsemotion Furcht; dies ist Furchtlernen
  • Triebreduktion
    Wenn Verhalten belohnende Folgen hat, kommt es zu einer konditionierten Verknüpfung mit der Erwartungsemotion Hoffnung; dies ist Hoffnungslernen
    Entsprechend gibt es die beiden komplementären Erwartungsemotionen :
  • Erleichterung
    Wenn ein ausgelöster Furchtzustand durch Reaktionsfolgen gemindert wird : Triebreduktion
  • Enttäuschung
    Wenn ein ausgelöster Hoffnungszustand durch Reaktionsfolgen gemindert wird : Triebinduktion

Die Zunahme bzw. Abnahme dieser vier Klassen von Erwartungsemotionen (hoffnung und Enttäuschung, Furcht und Erleichterung) sind nach Mowrer entscheidend welche Verhaltensweise in einer bestimmten Situation ausgewählt und verfolgt und damit bekräftigt, also gelernt wird.

Die Zwischenvariablen (Konstrukte) der lernpsychologischen Verhaltenserklärung vermitteln immer zwischen Situation (Reiz) und Verhalten (Reaktion).
Dabei gibt es jeweils zwei Arten der Zwischenvariablen.

Die eine Art ist eine strukturelle Komponente, die dem Verhalten Richtung, Zielgerichtetheit und Zweckmäßigkeit gibt. Sie repräsentiert ein Lernprodukt

  • sei es im Sinne Tolmans eine Erwartung (was zu was führt) oder
  • im Sinne Hulls eine Gewohnheitsbildung (habit, SHR)
  • oder im Sinne seiner Nachfolger eine Konditionierte Hemmung ( SIR )

Die eine Art von Zwischenvariable ist eine motivationale Komponente. Sie repräsentiert

  • im Sinne Tolmans bedürfnisabhängige Aufforderungscharaktere des Zielobjekts oder
  • im Sinne Hulls einen bedürfnisabhängigen Trieb (drive, D)
  • oder bei seinen Nachfolgern andere Aktivierungsmechanismen wie reizauslösende fraktionale Zielreaktionen oder Furchtreaktionen ( rG bzw. rF).