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Soziale Kompetenzen und Schüchternheit

(Seite. 9-11)

Die heute verlangten sozialen Kompetenten und Interaktionen sind um vieles komplexer als dies unter den Bedingungen der Primärgruppe notwendig war. Unter diesem Gesichtspunkt ist es wenig verwunderlich, daß soziale Interaktionen auch zu Problemen führen können - immer mehr Menschen scheuen soziale Kontakte und leiden unter Schüchternheit. Wir alle kennen Situationen die schwierig sind. Bewerbungsge­spräche, Auseinandersetzungen, die ersten Minuten mit Unbekannten. Für manche Menschen sind jedoch auch alltägliche Interaktionen mit einem solchen Streß verbunden. Solche Reaktionen haben wir mit dem Etikett Schüchternheit belegt, von Zimbardo (1982) definiert als "Codewort für diejenigen Kräfte in jedem von uns und für diejenigen gesellschaftlichen Zwänge, die uns - in engem Zusammenwirken - voneinander isolieren. In diesem Sinne schließt Schüchternheit die Furcht vor (und Vorurteile gegenüber) Menschen, die anders sind,, und vor sozialen Situationen die neu sind, ein". Darwin (1890) schrieb vor bereits über 100 Jahren "Schüchternheit scheint davon abzuhängen, wie empfindlich jemand auf die  - gute oder schlechte - Meinung anderer reagiert."

In einem großangelegten Forschungsprojekt zur Schüchternheit fand Zimbardo (1982) , daß fast sich fast 40% der erwachsenen Amerikaner als schüchtern bezeichnen. Japan am höchsten (60 %) am niedrigsten Israel (30%).

Zu den Situationen bei denen sich ein Gefühl der Schüchternheit am häufigsten einstellt sind In­teraktionen mit Fremden, mit Angehörigen des anderen Geschlechts oder mit Menschen von höherem Status.

Einem schüchternen Menschen fehlen bestimmte interaktive Kompetenzen, über die andere Menschen verfügen. Das können

  • perzeptuelle Kompetenzen sein (die korrekte Wahrnehmung von Menschen und Situationen)
  • kognitive Kompetenzen (die Fähigkeit zu richtigem und einfühlsamen Urteil)
  • verhaltensmäßige Kompetenzen (zu wissen, was man in einer Situation zu tun und zu sagen hat)
  • affektive Kompetenzen (mit auf die Situation angemessenen Gefühlen reagieren) sein.

Ansätze zur Erforschung sozialer Interaktion

(Seite. 11-13)

Erklärungen für zwischenmenschliche Interaktionen können wir auf mindestens drei Ebenen su­chen.

  • 1. Der Makrosoziale Ansatz : Einstellungen und persönliche Verhaltensweisen werden von den uns umfassenden sozialen, ökonomischen und politischen Systemen in erheblichem Umfang bestimmt.

Idee des sozialen Determinismus, d.h. soziale Systeme und Normen sind die kausalen Determi­nanten des individuellen Verhaltens.

Faktoren wie soziale Klasse, Rasse, Einkommen, politisches System sind mitverantwortlich für unsere sozialen Interaktionen.

  • 2. Psychologischer Ansatz : Perspektive des Individuums.

Faktoren wie Erziehung, Intelligenz, äußere Erscheinung , individuelle Einstellungen oder kommunikative Fähigkeiten kommt eine wesentliche Rolle zu.

  • 3. Interaktionistischer Ansatz : Umfassende soziale Systeme (Ansatz 1) und individuelle Per­sönlichkeiten (Ansatz 2) werden im Laufe der sozialen Interaktionen erst geschaffen .

Vertreter des symbolischen Interaktionismus : Mead (1934), Cooley (1902) Stone und Farbermann (1970).

Ordnung, Regelhaftigkeit und Vorhersagbarkeit aller großen sozialen Systeme hängen von den gemeinsamen Erwartungen ihrer Mitglieder ab. Aber unsere Interaktionen mit anderen sind auch Quelle unserer Selbsteinschätzung , unserer Persönlichkeit. In diesem doppelten Sinne hielten die Theoretiker des Symbolischen Interaktionismus Interaktion für den Ursprung sozialer als auch persönlicher Realitäten.

Als theoretischer Ansatz erscheint der Symbolische Interaktionismus am vielversprechendsten, da er zwischenmenschliche Interaktionen nicht auf andere Prozesse reduziert.

Modelle menschlicher Natur und sozialer Interaktion

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Am naheliegendsten ist es (aber vielleicht auch am wenigsten hilfreich ist es ) menschliches Verhalten als Ausdruck eines tief verwurzelten Bedürfnisses oder Triebes erklären. Allport bezeichnet solche Ansätze als einfach und souverän , da sie alles menschliche Verhalten auf ein einzige Prinzip zurückführen.

Hedonismus, Tendenz des Menschen Unlust zu meiden und Lust zu suchen, ist seit Epikur bis zu den modernen Lerntheorien ein sehr einflußreicher Erklärungsversuch für das menschliche Sozialverhalten. Diese Idee hielt auch Einzug in das psychologische Denken. Die Behaviori­sten, die Sozialverhalten mit Begriffen wie Belohnung, Verstärkung und Bestrafung erklären stehen in Nachfolge der einfachen souveränen Hedonismustheorie.

Macht, Autorität, Kontrolle als einfache souveräne Erklärung. Vertreter dieser Richtung sind die Philosophen Nietzsche oder Machiavelli .

Altruismus : Bestreben Gutes zu tun. Erklärung warum Menschen kooperieren und einander helfen.  Nach Dawkins (1976) kann altruistisches Verhalten - im Sinne der Evolutionstheorie - bis zur Selbstaufopferung einen biologischen Sinn haben, wenn es letztlich dem Überleben de­rer dient die uns ähnlich sind. (Sicherung des eigenen genetischen Potential).

Rationalismus : Mit der Französischen Revolution diese souveräne und einfache Theorie an Bedeutung gewonnen. Der Mensch trifft seine Entscheidungen die sein Sozialverhalten betref­fen in vernünftiger, die möglichen Alternativen und Konsequenzen abwägender Manier.

Psychoanalytischer Ansatz .Vielleicht eine Reaktion auf die Dominanz des Rationalismus zu Beginn unseres Jahrhunderts. Emotionen und Irrationalität dienen der Erklärung menschlichen Verhaltens. Freuds Vorstellungen einer Ich-Abwehr, die den Umgang mit bedrohlicher Infor­mation zu einem dynamischen, motivierenden Prozeß macht, hat man sich bei der Erforschung von Interaktionsprozessen mit Gewinn bedient. (vgl. Kap 5).

Wissenschaftliche Theorien über menschliche Interaktion

(Seite. 16-17)

Mit dem Entstehen der wissenschaftlichen Psychologie gegen Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Vorherrschaft solcher einfachen und souveränen Ansätze gebrochen. 1908 erscheinen zwei wichtige Veröffentlichungen:

William Mc Dougall (1908) vertritt eine individualistische, psychologische Position und be­haup­tet, daß dem Sozialverhalten eine Vielzahl von Trieben wie Neugierde, Selbstbestäti­gung oder Abneigung zugrunde liegt.

Ross (1908) war soziologischer orientiert: er vermutet in sozialen Prozessen wie Imitation, Suggestion und Konformität die Kräfte, die unsere interaktiven Verhaltensweisen formen.

1924 gilt als eigentliches Geburtsjahr der Sozialpsychologie als eigenständige, experimentelle und wissenschaftliche Disziplin. Allport (1924)

Theoretische Richtungen:

  • Behaviorismus : Verhalten wird durch von außen erfolgende Belohnung und Bestrafung kon­trolliert.

Verplanck (1955) zeigte in einer Untersuchung, daß " meinungsäußerndes Verhalten" durch syste­matische Bekräftigung (z.B. "da haben Sie vollkommen recht") dramatisch an Häufigkeit zunimmt.

Allerdings neigen die Behavioristen dazu, die aktiven und kreativen inneren Prozesse, die unser Sozialverhalten auch beeinflussen, zu vernachlässigen.

  • Gestaltpsychologie : Diese Schule beschäftigt sich vornehmlich mit inneren Prozessen und Repräsentationen. Solomon Asch
  • Feldtheorie : Lewin folgt mit seiner Feldtheorie der Gestaltpsychologie ähnlichen Überlegun­gen. Für ihn wird unser Sozialverhalten in erster Linie davon determiniert, wie wir unseren Le­bensraum zu einem gegebenen Zeitpunkt subjektiv wahrnehmen und erfahren.
  • kognitive Richtung : Aus dieser Sicht ist  Personenwahrnehmung im Grunde ein Prozeß der Informationsintegration. Dieser Ansatz hat in den letzten Jahrzehnten beträchtlich an Bedeutung gewonnen. (vgl. Kap. 4)

Natürlich bestehen neben diesen Hauptströmungen noch eine Vielzahl an anderen Theorien und Ansätzen. Keine Sichtweise besitzt ein absolutes Monopol. Die Sozialpsychologie ist eine multi-theoretische Wissenschaft.

Forgas verfolgt das Ziel, Ergebnisse empirischer Untersuchungen zusammenfassend darzustel­len und zu diskutieren. Ein universelles Modell oder eine umfassende Theorie fehlt bislang (noch).