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Zusammenfassung Kapitel 6 von Interaktion und Kommunikation des Autors Joseph  P.  Forgas

Die Erklärung unseres eigenen Verhaltens

(Seite 91)

Wissen wir einfach, warum wir uns verhalten wie wir uns verhalten ?

Vieles spricht dafür, daß unser Zugang zu den Ursachen unseres Verhaltens gar nicht so privilegiert ist wie wir es vermuten.

Vermutlich erschließen wir unsere eigenen Einstellungen, Annahmen und Intentionen nach den­selben Prinzipien, die uns auch bei der Beurteilung anderer hilfreich sind. Diese Hypothese widerspricht natürlich unserer tiefverwurzelten Einstellung, daß wir das was in unserem Kopf vor­geht, absolut unter Kontrolle haben.

Vieles spricht jedoch dafür, daß unser Wissen über uns selbst nichts ist, was von "innen" kommt, sondern wir verschaffen es uns von "außen", durch Beobachtung und Interpretation un­seres tatsächlichen Verhaltens.

 

Die Theorie der Selbstwahrnehmung von Bem

(Seite 91-92)

Eine Untersuchung von Festinger und Carlsmith (1959) hatte gezeigt, daß Menschen ihre Einstellungen ihrem Verhalten anpassen, wenn sie feststellen, daß ihr Verhalten im Wider­spruch zu ihren früheren Einstellungen steht.

Bems Position steht auch im Einklang mit radikal behavioristischen Theorien. Wie auch Skinner glaubt er, daß das primäre immer das äußere beobachtbare Verhalten ist, aus dem der innere Zustand sekundär erschlossen werden muß. Ursache unseres Verhaltens sind also nicht unsere inneren Zustände, etwa unsere Einstellungen, sondern es verhält sich genau umgekehrt : Unser Verhalten ist Ursache unserer Einstellungen !

Selbstattributionsprozesse

(Seite 92-93)

Kelly behauptet, daß die Suche nach Distinktheit, Konsens und Konsistenz auch Grundlage unserer Selbstattributionen ist.

Wie dieses Modell im Rahmen der Selbstattribution angewendet wird macht Forgas anhand ei­nes Beispiels deutlich.

Stell Dir vor, Du siehst im Fernsehen einen Monty Python- Film und lachst dich kaputt.

Warum lachst Du ?

Um darauf im Sinne von Kelleys Modell eine Antwort zu finden , müssen folgende Fragen beantwor­tet werden.

  • 1. Ist mein Verhalten konsistent ? Lache ich meistens über Monty Python oder ist das heute was be­sonderes?

Nur hoch konsistentes Verhalten kann zu äußerer oder innerer Attribution führen.

  • 2. Ist mein Verhalten distinktiv ? Lache ich über jeden lustigen Film oder nur über Monty Python ?

Ist das Verhalten hoch distinktiv (ich lache also nur über Monty Python), kann ein äußerer Faktor (Monty Python) zuverlässig attributiert werden.

  • 3. Wie ist der Konsens?

Ist der Konsens gering (nur ich lache) ist eine innere Attribution (mein spezieller Humor) wahr­scheinlich.

Der Akteur als Beobachter: Objektive Selbstaufmerksamkeit

(Seite 94)

Wie wir gesehen haben unterscheiden sich Attributionsstrategien je nach der Perspektive als Beobachter oder Akteur. Während sich der Akteur in situativen Zwängen sieht und äußere Fak­toren attributiert, sieht der Beobachter für den der Akteur im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, diesen als Verursacher und attributiert dementsprechend innere Faktoren als Ursache.

Gewöhnlich nehmen wir uns selbst nur subjektiv wahr. Um einen Zustand der objektiven Selbstaufmerksamkeit reicht es aber gewöhnlich schon, wenn wir in einen Spiegel schauen oder bemerken, daß wir fotografiert oder von anderen beobachtet werden.

Objektiv selbstaufmerksame Menschen beurteilen dann ihr eigens Verhalten ähnlich, wie sie es normalerweise als außenstehender Beobachter tun.

Solche Ergebnisse lassen vermuten, daß Attributionen, einschließlich unsere Selbstattribution, sehr viel mit dem Aufmerksamkeitsfokus der attributierenden Person zu tun haben.


 

Die Effekte von Selbstattribution auf Motivation

(Seite 94-95)

Wenn man einen Menschen für ein Verhalten belohnt, das sie zuvor aus Spaß an der Sache - also aus "intrinsischer Motivation" - an den Tag gelegt haben, könnten sie die Belohnung als Anzeichen dafür interpretieren, daß es ihnen an intrinsischer Motivation eigentlich fehlt, und folglich das Verhalten von jetzt an nur noch dann zeigen, wenn sie dafür belohnt werden.

Genau das haben Lepper, Greene und Nisbett (1973) bei kleinen (3-5 Jahre) Kindern unter­sucht.

Alle Kinder malten Bilder. Die eine Gruppe mit Aussicht auf eine Belohnung die andere ohne Beloh­nung.

Nach ein oder zwei Wochen stellten die Forscher fest, daß die Kinder die eine Belohnung erwartet und erhalten hatten, sehr viel weniger mit den angebotenen Malutensilien spielten als unbelohnte Kinder.

Aus attributionstheoretischer Sicht wird unsere Motivation nicht von der Tatsache des Belohnt­werdens selbst beeinflußt wird, sondern durch die symbolische Interpretation, die wir dieser Belohnung beilegen.

Selbstbehindernde Strategien

(Seite 96-97)

Zwischen Selbst- und Fremdattributionen gibt es einen bedeutsamen Unterschied. Negative Schlüsse über uns selbst sind sehr viel unangenehmer und bedeutsamer (für uns) als negative Urteile über andere.

Aus diesem Grund verfügen wir über spezielle Strategien, die uns davor schützen ein negatives Urteil über uns selbst fällen zu müssen.

Unter anderem konstruieren wir uns künstliche Handicaps, um bei einem eventuellen Mißerfolg, auf äußere Faktoren als Grund für unser Scheitern verweisen zu können.

 

Berglas und Jones (1978) haben diese Strategien untersucht.

Den Probanten wurde suggeriert, daß sie in einem bevorstehenden Experiment entweder gut oder schlecht abschneiden würden. Dann ließ man sie zwischen zwei Placebo-Medikamenten wählen, von denen eines angeblich leistungssteigernd das andere angeblich leistungsmindernd wirken würde.

 

self-handicaping

Offensichtlich entschieden sich die Probanten die mit Mißerfolg rechneten vermehrt für das leistungsmindernde Medikament, um für einen späteren Mißerfolg äußere Faktoren attributieren zu können.

Die Tendenz zu einer solchen self-handicaping Strategie verstärkt sich noch, wenn uns andere beim Absolvieren einer Aufgabe beobachten.

Erlernte Hilflosigkeit

(Seite 97-98)

Wenn Menschen längere Zeit unkontrollierbaren unangenehmen Ereignissen ausgesetzt sind, stellen sie schließlich alle Versuche, der Situation Herr zu werden ein, oder entziehen sich ihr ganz - ein Zustand den Seligman (1975) "erlernte Hilflosigkeit" genannt hat.

Entscheidend bei der erlernten Hilflosigkeit, ist die Attribution äußerer Faktoren die sich unserer Kontrolle entziehen.

Arbeitslose z.B. -die sich die Ursachen ihrer Arbeitslosigkeit sich selbst zuschreiben (auch wenn diese objektiv an äußeren Faktoren liegt), werden die Suche nach einem Arbeitsplatz eher fort­setzen, als Arbeitslose die äußere Umstände verantwortlich machen und so unter Umständen in einen Zustand der erlernten Hilflosigkeit geraten.

Psychologische Reaktanz

(Seite 98-99)

Werden wir mit unkontrollierbaren Ereignissen konfrontiert, ist unsere erste Reaktion gewöhn­lich nicht erlernte Hilflosigkeit, sondern die gesteigerte Motivation, uns verlorene Kontrolle und damit Freiheit zurückzuerobern. Brehm (1972) prägte dafür den Begriff der psychologischen Reaktanz. Darunter ist der motivationale Zustand zu verstehen, in den wir geraten, wenn wir unsere Freiheit auf irgendeine Weise bedroht sehen.

Dieses Phänomen ist im Alltag in vielen Formen zu beobachten.

Unser plötzliches Interesse für Dinge die verboten werden sollen (z.B. Bücherzensur).

Auf Zwang mit einer konträren Reaktion zu reagieren.

Antihaltung gegen Produkte die mit Druck beworben werden.

Teenager die elterlichen Verboten zuwiderhandeln, um symbolisch ihre Freiheit zu erhalten.

Trotzreaktionen bei Kindern.

Selbstattributionen von Emotion

(Seite 99-100)

Die Forschung zur Selbstattribution beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie wir unse­re eigenen Gefühle identifizieren.

Der objektiv meßbare Aspekt von Emotionen sind physiologische Erregungszustände. Die da­mit verbundenen Emotionen sind jedoch praktisch nicht zu unterscheiden.

Bereits vor mehr als hundert Jahren vermutete William James (1884), daß Emotionen von zwei Komponenten getragen werden : der affektiven Erregung und deren nachfolgender kognitiver Etikettierung. Emotionen wären demnach nicht Ursache, sondern Folge physiologischer Reak­tionen.

Schachter und Singer (1962) haben den Prozeß in einem klassischen Experiment veran­schaulicht.

Sie verabreichten ihren Probanten das Erregung verursachende Medikament Epinephrin. Einen Teil der Probanten klärten Sie über die Wirkung auf, ein anderer Teil glaubte sie hätten eine harmlose Vitamininjektion erhalten.

Dann trafen die Probanten auf einen Komplizen des Versuchsleiters, aus dessen Verhalten entweder große Euphorie oder aber Gereiztheit und Wut sprachen.

Als man die Probanten anschließend zu ihren Emotionen befragte, wurde aus der ahnungslosen Gruppe, vermehrt Emotionen berichtet die im Einklang mit den Emotionen des Komplizen standen.

Es scheint, daß diese Personen, die ja keine plausible Erklärung für ihre Erregung hatten, ihre Erre­gung als Emotion ettiketierten, die mit dem Umgebungsreiz - der Emotion des Komplizen - korre­spondierte.


 

Fehlattributionen von Erregungseffekten

(Seite 100)

Valin (1966,1972) ging mit seiner Hypothese noch einen Schritt weiter mit der Hypothese, daß zum Erleben einer Emotion wirkliche Erregung gar nicht notwendig sei : Es genüge, wenn Pro­banten glaubten, erregt zu sein.

In einem Experiment sahen seine männlichen Probanten weibliche Aktphotos. Dabei hörten Sie über Kopfhörer Herztöne die angeblich ihre eigenen waren. In Wirklichkeit war das Feedback nach einem bestimmten Schema manipuliert: bei einigen Bildern beschleunigte sich der Herzschlag, bei anderen nicht.

Im Anschluß zeigten sich die Probanten am meisten angetan von Bildern, bei deren Anblick sich "ihr" Herzschlag beschleunigt hatte. Diese Präferenz blieb auch dann noch bestehen nachdem man die Vps über den Schwindel aufgeklärt hatte.

einige praktische Konsequenzen von Selbstattribution

(Seite 101-102)

Wenn emotionales Erleben eine Angelegenheit von Inferenzen ist, müßten sich dann nicht auch negative Emotionen durch Manipulation von Attribution kontrollieren lassen?

Nisbett und Schachter (1966) haben dies versucht.

Sie verabreichten ihren Probanten Placebo-Tabletten und erklärten einer Gruppe der Probanten, daß dieses Präparat Erregungszustände wie Zittern, Herzklopfen usw. auslösen würde, die andere Gruppe erwartete keine physiologische Reaktion. Dann erhielten beide Gruppen eine Reihe von Elektro­schocks.

Probanten, die für ihre Erregung die Tablette mitverantwortlich machten, berichteten von subjektiv geringeren Schmerzen als die Kontrollgruppe.

Nisbett und Storms (1970) versuchten dann dieses Prinzip therapeutisch zu nutzen..

Sie verabreichten ihren, an Schlaflosigkeit leidenden, Probanten wiederum Placebo-Tabletten und erklärten einer Gruppe der Probanten, daß dieses Präparat Erregungszustände erwarten ließe, die an­dere Gruppe erwartete keine physiologische Reaktion.

Die Gruppe die Erregung erwartete, schlief besser - vermutlich weil sie Erregung Erwartete und diese äußeren Ursachen Attributieren konnte.

Wenn auch Zweifel an der Reliabilität dieser Untersuchungen nicht bis zum Letzten ausgeräumt werden konnten, ist die klinische Perspektive, ob und wie sich Erwartungen und Inferenzen von Patienten in therapeutischem Sinne beeinflussen lassen, hochinteressant.

Erregungstranfer

(Seite 102)

Zillman (1972,1978) bediente sich zum selben Zweck einer anderen Technik.

Er induzierte den physiologischen Erregungszustand seiner Versuchspersonen durch körperlich An­strengung - er ließ seine Vps auf einem Heimtrainer strampeln.

Anschließend mußten sich die Probanten von einem Komplizen des VL beschimpfen lassen.

Erregte Probanten reagierten darauf aggressiver als die nicht erregten Probanten.

Zillman vermutete in solchen Fällen eine Übertragung der Erregung auf eine plausible äußere Ursache und nannte das von ihm beschriebene Phänomen Erregungstransfer.

Selbstattribution von Kognition

(Seite 103-104)

Nisbett und Wilson (1977) überprüften die provokative Vermutung, daß wir unsere Urteilsprozesse genausowenig beschreiben können, wie wir in der Lage sind, ohne äußere Reize unsere Gefühle zu identifizieren.

In einem typischen Experiment manipulieren die VL eine Variable von der bekannt ist, daß sie die Entscheidung eines Probanten wahrscheinlich beeinflussen wird. Typischerweise sind die Probanten blind für die manipulierte Variable.

Eine Aufgabe besteht z.B. darin aus einer Reihe von identischen Strümpfen einen auszuwählen. In der Regel entscheiden sich die Versuchspersonen für den Strumpf zu ihrer Rechten. Um eine Erklä­rung gebeten, werden dann - nicht vorhandene - Qualitätsunterschiede oder persönliche Vorlieben angeführt. Darauf hingewiesen, daß die Position die Wahl beeinflußt habe, bestreiten die Vps durch­weg, daß die eine Rolle gespielt habe.

Wenn die Probanten tatsächlich blind für ihre eigenen mentalen Prozesse sind, was beschrei­ben sie dann, wenn man sie danach fragt? Nisbett und Wilson glauben, daß wir in solchen Fällen zu Erklärungen neigen, die wir den Umständen für angemessen halten. (z.B. Qualität oder Präferenz)

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

(Seite 105)

Die Attributionstheorie basiert auf zwei Annahmen :

  1. Menschen sind rationale Informationsverarbeiter und
  2. trachten wie Wissenschaftler danach, die Hauptursachen für Verhalten zu entdecken.

 

Wie wir gesehen haben, muß die erste Annahme drastisch revidiert werden. Irrational und motivationsbedinge verzerrte Attributionen können mit dem Modell des rationalen Informations­verarbeiters nur schwer vereinbart werden.

 

Auch die zweite Annahme, daß Wahrnehmende immer nach den Ursachen von Verhalten suchen, muß kritisch hinterfragt werden. Tatsächlichist die ganze Vorstellung einer Hauptursa­che suspekt, denn jede Handlung ist das Ergebnis einer langen Kette kausaler Ereignisse. Aus einer solchen Kette eine Ursache als die einzig wahre und entscheidende herauszugreifen, ist unmöglich und muß reine Willkür bleiben.